Wirtschaftliche interne Abläufe bei Pfaff... oder besser...Erinnerungen an die Steinzeit

Wie war es doch bei Pfaff so schön, diese Kommentare in diversen Foren kommen immer wieder von ehemaligen Mitarbeitern.
Was genau war schön?
Ich nehme an, die Erinnerungen an die Kollegen/innen.

Habt ihr die Zeiten der Entlassungen/Kurzarbeit und Ängste um die Arbeitsplätze und die eurer Familien schon vergessen?
                                                                           Ging das wirklich so schnell?

Jetzt kommt die Stelle an der ich alle diejenigen, die ihre Illusionen behalten wollen bitte, nicht weiterzulesen.

Eure letzte heile Welt wird vollständig zusammenbrechen.

Das, was die Familie Pfaff einmal aufgebaut hatte, wurde langsam aber sicher zerstört.

Es geht um Sachverhalte, die nur meinen relativ kleinen Arbeitsbereich betrafen und aufzeigen warum Pfaff Bankrott gehen musste. Gerne denke ich an die Bereiche zurück, in denen die Kollegen ihrer Arbeit mit vollem Einsatz nachgingen und sich im Sinne des Firmengründers  Georg Michael Pfaff, für das Werk einsetzten.

Verlagerung HH-Maschinen

Wie schön war es doch bei Pfaff. Vergessen ist, dass man 1960 die HH-Maschinen nach Karlsruhe verlagert und dort mit Unsummen ein marodes Werk finanzierte sind kaum jemanden bekannt. Oder?

                                            Folgedessen wurden 1960-1969    4344 MA in Kaiserslautern entlassen

Noch weniger bekannt, dass wenig effiziente Vorgehensweisen im Werk Kaiserslautern dazu beitrugen, dass Pfaff seinen späteren Untergang, damit sehr früh und selbst eingeleitet hatte.
Daher sollen an dieser Stelle nur einige der vielen Gründe, aus denen die völlige Unkenntnis von wirtschaftlichen Betriebsabläufen hervorgeht, in Erinnerung gebracht werden soll. Was heißt Erinnerung. Davon wusste kaum einer der Mitarbeiter in den Werkstätten!

Mein Weg begann ab 1980 in der Verfahrensplanung VIP, in der ich eine Gruppe übernahm.
Schnell war festzustellen, dass 5 MA über Monate damit beschäftigt wurden anhand von Teilelisten zu ermitteln welche Teile man mit Einlegegeräten fertigen könnte. Eine Maßnahme, die von mir umgehend aufgehoben wurde!
Einlegegeräte bringen dann etwas, wenn sich die monatlichen Stückzahlen, ab ca. 50.00 Stück monatlich, nach oben bewegen. Pfaff hatte nur Kleinserien! Reaktionen vom Verursacher dieser unsinnigen Maßnahme: NULL

Reorganisation

Verpflichtet wurde ich um den Betrieb, im Planungsbereich, nach den wirtschaftlichsten Methoden neu auszurichten.
So Direktor Bereich B! Damit wurden alle MA der AV, BTR, der Konstruktion und bis in den Betrieb, folglich Meister und Vorarbeiter über langen Zeitraum intensiv ausgebildet. Und danach? Alles sinnlos. B schreckte davor zurück seiner geplanten Reorganisation nur in Ansatz nachzugehen. Jeder, aber auch jeder Nachfrage ging er aus dem Wege.

 

Hauptabteilungsleiter V Teilefertigung (TF) übergab mir die Aufgabe zu überprüfen welche Kosten tatsächlich für einen Kleinauftrag von 100 DM angefallen wären. Es zeugte von wenig Kenntnis, wie man das Resultat mit nur einem Anruf hätte klären können und noch mehr davon, wie wenig Vertrauen er den Aussagen seine langjährigen Mitarbeiter beimaß. Mit der Auftragsnummer und dem jeweiligen Abschluss einer Maßnahme konnten die Kosten jederzeit in der Kostenrechnung abgefragt werden.
Ergebnis: Abgerechnet wurden 144.000 DM. Mitteilung an V! Seine einzige Reaktion war:
„Ach, dass hatte ich mir schon so gedacht“ Damit war diese unglaubliche Angelegenheit für ihn erledigt.

Es gab im Laufe der Zeit tausende dieser Aufträge mit der nötige offiziell zu genehmigende Investitionen umgangen wurden.

 

Verschrottungen
Pfaff rühmte sich u.a. über den REFA-Verband besonders Fortschrittliche Methoden in der Fertigung anzuwenden.
Damals ein kleinerer Rundtisch als Montagehilfe: Er kam wiederholt zur Überarbeitung in den Werkzeugbau und letztendlich in unsere Werkstatt nachdem der dafür zuständige Werkzeugbau längst das Handtuch geworfen hatte.
Meine Feststellung! Nicht verwendbar und unwirtschaftlich. Verschrottung umgehend, mit Mitteilung an meinen Vorgesetzten und B, eingeleitet. Keine Reaktion!

 

Eine der ganz großen Verschrottungen sollte folgen. Um 1985 wurde in der eigenen Konstruktion eine Schleifmaschine konstruiert mit der Greiferspitzen auf Endmaß geschliffen werden sollen. Genehmigte Summe 250.000 DM. Nach Monaten und Aufgabe durch den WZB kam die Maschine in unsere Werkstatt: Unser Meister rief mich dazu und stellte die einfache Frage ob ich etwas an der Maschine erkennen könne: Nach Erklärung, dass daran, an einer Schleifscheibe ca. 800 mm (Durchmesser) und eine Breite von ca. 100 mm, die Spitzen geschliffen werden sollten kam der große Hammer. Ein Greifer ließ sich zwar einspannen, jedoch nicht mechanisch, der Abnutzung entsprechend, nachstellen.
Ergebnis: Wieder Mitteilung an B , dass ich die Maschine als Fehlkonstruktion umgehend verschrotte. Inzwischen waren, siehe ähnlich Maßnahme V, ca. 500.000 DM an Kosten aufgelaufen! Allgemein war man recht zufrieden, dass man mir die letzte Entscheidung aufhalsen konnte. Reaktion: Ich wisst schon! NULL.

 

Nachbauten

Um es nicht zu vergessen. In unserer Werkstatt hatte man damit begonnen 3 Stanzmaschinen nachzubauen. D.h. Stück für Stück wurde eine angekaufte Maschine auseinandergenommen, konstruktiv erfasst und nachgebaut. Begonnen hatte man mit diesem Wahnsinn bereits ca. 5 Jahre vor meinen Zeit. Ich erlebte die Maschinen in einer noch immer nicht anwendbaren Form.
Meine durchgeführte Verschrottung wurde gerne angenommen!
Kosten geschätzt weitere ca. 500.000 DM. Erwerbbar waren neue Original-Maschinen pro Stück um die 120.000 DM.

 

Inzwischen waren in ca. 5 Jahren in der Summe an Verschrottungen durch mich 1,5 - 2  Millionen DM angefallen.
Lange Zeit, Monate waren nach der Verschrottung der Schleifmaschine vergangen. Besuch von B bei mir. Äußerst  freundlich sagte er mir: „Lieber Herr Müller, Sie schicken mir immer so nette Hausmitteilungen, waren die Maschinen neu?“
Ich und nette HM!? Nein, diese waren sachlich begründet und hätten umgehend eine Reaktion seinerseits auslösen müssen.
Meine Annahme, jetzt wird endlich mal reagiert.

B nach meiner Antwort: "Ja, absolut neu": „Ach so.“ Das war es und er kehrte mir mit freundlichem Gruß den Rücken.
Ich vergaß: B hatte den Bau der Schleifmaschine, ohne Investitionsantrag; selbst veranlasst.

 

Es gibt auch Kleinigkeiten von denen zu berichten wäre.

Versand Ein Thema bei dem sich mir noch heute die Haare sträuben. Der Versand fordert, nach internem Umzug, neue Bindegeräte an. Was war geschehen? Die funktionierenden Geräte ließ man einfach stehen und machte eine Neubestellung.
Von mir ausdrücklich unterbunden. So schafft man sich Freunde! Das gleiche Personal forderte schwere Schlosser-Werkbänke an. Die Frage wozu wird damit beantwortet, dass man sein Essen darin unterbringen wollte.

 

Versandlager

Kurzfassung: Ein Versandlager dient der kurzen Zwischenlagerung. Urplötzlich benötigte auch Pfaff solch ein Lager. Vorher ging es Just in time. Also verpacken und auf den LKW. Tatsächlich war es ein Bau in dem Produkte in wilder Reihenfolge, andere sagen chaotisch, abgestellt wurden, ohne dass sie tatsächlich nach „kurzer“ Zwischenlagerung weitergeleitet wurden.

Die Untersuchung ergab, dass dort Nähsysteme teuerster Bauart mit Verpackungsdatum bis 6 (sechs) Jahre zurückliegend abgestellt waren.

 

Was meint ihr? Warum habe ich diese Dinge nicht damals den Verantwortlichen mitgeteilt?
Absolut zu jeder der beschriebenen Unregelmäßigkeiten ging ein schriftlicher Bericht an den Leiter VIP, AV und an erster Stelle an (B) und letztendlich an die Geschäftsleitung.
B, der seine Macht durch ein Umfeld vom ihm abhängigen Abteilungsleitern aufgebaut hatte, "durfte"gehen!!!

Ach so, hätte ich fast übersehen. Es war üblich Quartalsberichte zu schreiben, durch die B über laufende Maßnahmen informiert werden sollte. Das kannte ich auch so von meiner vorhergehenden Firma.

So setzen sich allein bei VIP 4 Gruppen daran ausführliche Tatigungsnachweise zu schreiben. Ein damals riesiger Aufwand.

Wie lange das ging? Bei mir über 5-6 Jahre, bis zu dem Tag, als ich in einem abgegebenen Nachweis, etwas nachverfolgen wollte.
Folglich zu B um die Mappe abzuholen. Die Sekretärin kramte sie aus den tiefen ihres Schreibtisches hervor und ich musste feststellen, dass diese den Weg zu B, wie auch die jahrelang geschriebenen Berichte der anderen Abt. nicht gefunden hatte.
Es folgte, hätte folgen sollen, der nächste Quartalsbericht. Als ich ihn nicht abgab und deutlich machte, dass B ihn bei mir anfordern solle, wenn er ihn benötige, schlossen sich weitere (alle) Abteilungen meinem sehr lauten Protest an und die Berichte wurden nie mehr geschrieben und noch weniger verlangt. Könnt ihr euch annähernd vorstellen welche Kosten für diese unnötigen Berichte bis Dato angefallen waren?

 

Auslagerungen

Obry, wer kennt ihn nicht. Mit markanten Worten und Taten als Mit,- bzw. Hauptverantwortlichen für den Untergang. Wer erinnert sich noch an seine Worte in eine Betriebsversammlung. Wir werden verstärkt Outsursing betreiben. Tosender Applaus, ebenso vom Gesamtbetriebsrat. Ich wurde angesprochen warum ich keine Beifall spendete. Antwort: Obry hat euch gerade mitgeteilt, dass er Sie gerade entlassen will. Die Bedeutung des Outsursings schien unbekannt. Teile verlagern und letztendlich weniger Mitarbeiterin KL zu benötigen war das Ziel.

Kleinaufträge
Auch B kannte dieses Mittel und stellte der Versuchswerkstatt stattliche 50 DM zur Verfügung um sein privates Gummiboot durch V2A Streben verstärken zu lassen. Arbeit rund eine Woche von 3 MA. Das waren die dann unterbotenen 50 DM schon wert.

Das war noch eine seiner harmlosen Aktionen. Von mir wurden zwei Arbeitsplätze nach den neusten Erkenntnissen für GFT konzipiert. Ca. 3 Monate Arbeit von 3 MA! Der Zufall will es, dass ich geschäftlich einen Konkurrenten für die Greiferfertigung in Italien besuchte. Und was sehe ich mit großen Unverständnis.
B hatte heimlich hinter meinem Rücken einen weiteren Arbeitsplatz bauen lassen und kostenlos weitergegeben.

Ihn darauf angesprochen recht lapidar: Man muss sich untereinander mal helfen. So, das war mir neu, dass wir mit dem Geld von Pfaff Fremdfirmen zu unterstützen hatten. Man bedenke Entwicklungs- und Arbeitskosten (18.000 DM) und dann noch der Transport nach Italien… Was bekam man damals für solch ein Gefälligkeit?
In meiner alten Firma hätte es keine 5 Minuten gebraucht um ihn auf die Straße zu setzen!

Feuerentgraten
Über ein halbes Jahr lang setze man den späteren Dr. -Nachfolger von V daran,  anhand von Teilelisten festzustellen, welche Teile dazu geeignet wären.
Meine sofortigen Einwände, dass alle Teile möglich sind und Serienstückzahlen, wieder ab ca. 50.000 monatlich erst einen Sinn ergeben würden, wurden von höchster Stelle missachtet. Aussage auf meine dringlichen Einwände: Da haben wir ihn wenigstens beschäftigt. Unsere Kleinserien bezogen sich auf ca. 2000 Stück und wenigen/Monat. Letztendlich „musste“ ich mit nach Bosch um ein bekanntes probates Verfahren einer „Prüfung“ zu unterziehen…

Bosch: Klar können wir das machen! Für Versuche stellen Sie uns bitte mindesten 5000 Stück zur Verfügung.
Übrigens: Der "Sachbearbeiter höchster Gehaltsstufe" hatte über ein halbes Jahr an dieser unsinnigen Aufgabe gearbeitet.
Über das Feuerentgraten wurde bei Pfaff nie wieder gesprochen.

 

CNC-Halle
Zeitgleich versuchte man in der Arbeitsvorbereitung die Abrechnung über die Nutzungszeiten zu bestimmen.
So wurde, in der AV, (völlig falsche Stelle) ein teurer Mitarbeiter damit beschäftigt irgendwelche Daten zu erfassen, da nach diesen angeblich die Lohn-Abrechnungen zu erfolgen hätten.
Ein Schuss in den Ofen und um es noch deutlicher auszudrücken: Absoluter Schwachsinn!

War dieser MA im Urlaub oder krank hatte sein Fehlen keine Auswirkung auf die Löhne, die nicht über diesen unsinnigen Weg berechnet werden konnten, zumal die Nutzung der Maschinen eine Lachnummer war.

Nach dessen Pensionierung und jahrelanger Arbeit war diese "Stelle" für ca. 1,5 Jahre unbesetzt. Eingesetzt wurde danach ein Jung-Ingenieur, der, nachdem er sehr schnell merkte, dass es sich hierbei um eine sinnfreie Arbeit handelte, bei mir Rat suchte.
Die Stelle wurde nach weiteren zwei Jahren stillschweigend aufgelöst.
Was meint ihr? So etwas kann doch bei Pfaff nicht passieren... Na klar, wie schrieb ich Anfangs?

Steinzeit. Hauptsache war Mitarbeiter irgendwie zu beschäftigen und den Problemen im Betrieb aus dem Weg zu gehen!

 

 

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